Heute 19.30: Entführung

"Hau ab, Bitch" und "Verpiss dich, Schwuchtel" sind nur zwei kleine Änderungen im Text von Mozarts "Die Entführung aus dem Serail", welche sich die Regisseurin Lydia Steier für die Inszenierung im Stadttheater Bern erlaubt und ausgedacht hat. Viel auffallender sind Änderungen von Geschlechtsidentitäten (Bassa Selim als Frau und Osmin als Frau mit Männergestalt) und einige szenische Details, darunter offensichtliche sexuelle Andeutungen (wie so häufig bei Mozart-Inszenierungen).
Zugegeben geben das Libretto und vor allem auch Mozarts musikalische Umsetzung sehr viel Raum für Interpretationen jeglicher Art und mit genau dieser Inszenierung ist eine durchdachte und sinnvolle Interpretation aus weiblicher Sicht gelungen; Frauen, welche zu sich selber finden und sich nicht mit den zu Mozarts Zeit herrschenden Frauen- und Männerbilder, sowie heutigen Rollenklischees zufrieden geben.
Eine Inszenierungen, welche den Darstellern sehr viel abverlangt und vom Publikum einiges an Hintergrundwissen fordert. Dies wurde der Regie allerdings zum Verhängnis: das konservative Berner Premierenpublikum habe beim Auftritt der Regie grosszügig Pfiffe und Buhrufe verteilt, wie mir eine Mitarbeiterin des Stadttheaters Bern mitteilte.

Wer also offen für Neues ist oder sich vielleicht schon auf die eine oder andere Weise mit der "Entführung aus dem Serail" beschäftigt hat, soll sich die Zeit nehmen und dem Stadttheater Bern einen Besuch abstatten. Auch wenn ohne Hintergrundwissen auf den ersten Blick wohl nicht alles klar wird, lohnt es sich, vielleicht auch einmal das Libretto zu lesen und sich mit diesem Opernstoff zu beschäftigen, bevor man ahnungslos verurteilt.

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